Wir alle haben Vorurteile. Vorurteile sind Urteile, die wir vor jeder konkreten Erfahrung mit einer Sache gefällt haben. Das ist durchaus in Ordnung, denn ohne Vorurteile kämen wir wahrscheinlich nicht einmal eine Stunde durch unseren Alltag. Vorurteile helfen, die ungeheure Masse an tatsächlichen und möglichen Ereignissen zu ordnen.
Dessen sollten wir uns allerdings bewusst sein, wenn wir konkret vor der Aufgabe stehen, uns einer unbekannten Sache (oder auch einer bereits bekannten Sache aus neuem Blickwinkel) anzunähern. Dann heißt es, unvoreingenommen zu urteilen. Dazu muss man sich aber erst einmal befreien von eingeübten Sichtweisen, von Bequemlichkeiten des Denkens und schnellfertigem Urteilen. Im Grunde geht es darum, in einen geistigen Zustand einzutreten, bei dem die Sache so erlebt wird, als würden wir sie zum ersten Mal sehen (auch wenn wir sie schon hunderte Male zuvor gesehen haben) – also man selbst wie neu geboren und die Sache in einem Licht, das alles fremd und befremdlich erscheinen lässt. So können wir bis dahin unbekannte Eigenschaften entdecken und auch im Vertrauten das Geheimnisvolle, das Anziehende finden.
Indem wir dann von diesem Erlebnis berichten, verändert sich auch unsere Sprache. Sie sucht nach neuen Wegen, das Gesehene auf den Punkt zu bringen.